30. Juli 2013

Tacho­gra­fen­pflicht – verzerrte Wahr­neh­mung

In vielen Betrieben verur­sa­chen digi­tale Fahr­ten­schreiber seit einigen Jahren hohe Kosten. Trotzdem will das Euro­pa­par­la­ment den Einsatz der Geräte in den Trans­por­tern von noch mehr kleinen und mitt­leren Unter­nehmen vorschreiben.

Autor: Monika Hofmann

„Büro­kra­tie­abbau sieht anders aus“, schimpft Walter Schmitt. Der Inhaber des Elek­tro­be­triebs TV Schmitt Elek­tro­nics in Ober­schleiß­heim bei München mahnt die EU, sich auf ihr ursprüng­li­ches Ziel zu besinnen – und den Dschungel aus Regeln und Vorgaben zu lichten. Die Euro­pa­par­la­men­ta­rier aber planen mit der Verschär­fung der Tacho­gra­fen­pflicht gerade das Gegen­teil. Wenn es nach ihnen geht, müssen Fahr­zeuge schon ab einem zuläs­sigen Gesamt­ge­wicht von 2,8 Tonnen statt bisher 3,5 Tonnen mit digi­talen Tacho­grafen ausge­rüstet werden. „Das würde viele Hand­werks­be­triebe in die Bredouille bringen, denn die meisten nutzen Trans­porter dieser Gewichts­klasse“, fürchtet Schmitt.

Viel Mehr­ar­beit befürchtet. Firmen­chefs, die in neue Fahr­zeuge inves­tieren wollen, sollten darum unbe­dingt die Frage klären, ob sie den digi­talen Tacho­grafen brau­chen. Der erhöht nicht nur den Kauf­preis um rund 500 Euro, sondern erfor­dert auch eine regel­mä­ßige Daten­pflege. Daher erwartet Schmitt einen hohen monat­li­chen Mehr­auf­wand. „Die im digi­talen Tacho­grafen gespei­cherten Daten müssen konti­nu­ier­lich ausge­lesen und elek­tro­nisch archi­viert werden“, so der Firmen­chef. „Zudem braucht jeder Fahrer und jeder Unter­nehmer spezi­fi­sche Karten: In den Betrieben wuchert damit der büro­kra­ti­sche Aufwand munter weiter.“

Für welche Fahr­zeuge ist nach aktu­eller Rechts­lage der digi­tale Tacho­graf bereits Pflicht? „Seit 2006 haben Unter­nehmer alle neuen gewerb­lich genutzten Fahr­zeuge mit einem zuläs­sigen Gesamt­ge­wicht von mehr als 3,5 Tonnen mit einem digi­talen Fahr­ten­schreiber auszu­rüsten“, erläu­tert Frank-Peter Gentze, Leiter des Refe­rats Sozi­al­po­litik und Berufs­bil­dung des Bundes­ver­bands Güter­kraft­ver­kehr, Logistik und Entsor­gung (BGL) in Frank­furt am Main. „Egal, ob sie diese im Fern- oder nur im Nahver­kehr einsetzen.“ In Fahr­zeugen, die damals schon zum Flot­ten­be­stand zählten, reichen analoge Fahr­ten­schreiber. Für kleine und mitt­lere Betriebe wird das schnell zu einem Kraftakt, weil sie neben dem Kontroll­gerät sowie den Fahrer- und Unter­neh­mer­karten auch noch entspre­chende Lese­ge­räte und Soft­ware brau­chen sowie klare Vorgaben einhalten müssen (siehe Kasten). Zwar lassen sich die Daten zum Flot­ten­ma­nage­ment nutzen. „Doch das ist eher für größere Trans­port­firmen inter­es­sant, die anderen müssen viel Aufwand betreiben, ohne davon zu profi­tieren“, so Frank-Peter Gentze. Die Kontrolle der Lenk- und Ruhe­zeiten sei einfa­cher zu errei­chen, so der Experte. „Zumal Mani­pu­la­tionen auch beim digi­talen Tacho­grafen möglich sind, die aber weniger Spuren hinter­lassen als bei analogen Täuschungs­ma­nö­vern.“

Ausnahmen könnten fallen. Für Betriebe vor allem im Hand­werk gelten bislang Ausnahmen: Fahr­zeuge mit einem zuläs­sigen Gesamt­ge­wicht von nicht mehr als 7,5 Tonnen, die in einem Umkreis von 50 Kilo­me­tern vom Standort des Unter­neh­mens für bestimmte beruf­liche Tätig­keiten genutzt werden, sind von der digi­talen Tacho­gra­fen­pflicht befreit, sagt Horst Roitsch vom Bundesamt für Güter­kraft­ver­kehr (BAG) in Köln. „Dazu zählen vor allem Fahr­zeuge, mit denen der Fahrer Mate­rial, Ausrüs­tungen oder Maschinen trans­por­tiert, die er für seine Tätig­keit benö­tigt, oder Fahr­zeuge, die eine bestimmte, beson­dere Ausstat­tung haben, etwa als Verkaufs­wagen auf Märkten.“ Grund­vor­aus­set­zung ist, dass das Lenken des Fahr­zeugs nicht die Haupt­tä­tig­keit des Fahrers darstellt, betont der Experte.

Unend­li­cher Feld­ver­such. Der Anteil an Fahr­zeugen mit digi­talem Kontroll­gerät bei deut­schen Unter­nehmen beträgt gut 70 Prozent. „Der digi­tale Tacho­graf hat sich bewährt“, meint Roitsch. Zwar ist es zeit­auf­wen­diger als beim analogen Kontroll­gerät, die Daten aus dem Massen­spei­cher sowie der Fahrer­karte zu prüfen und zu analy­sieren. Doch dafür lassen sich Lenk- und Ruhe­zeiten exakt auswerten. „Das regel­mä­ßige Herun­ter­laden der Daten und Aufbe­wahren war anfangs sicher mit zusätz­li­chem Aufwand verbunden“, so Roitsch. Da diese Vorgänge aber elek­tro­nisch erfolgten, dürfte sich dieser Mehr­auf­wand im Rahmen halten, wenn ein entspre­chendes System etabliert ist.

Dass die neuen Geräte sicherer werden, Fern­ab­fragen ermög­li­chen und sich leichter ins betrieb­liche Manage­ment inte­grieren lassen, wünscht sich der EU-Verkehrs­mi­nis­­terrat. Er disku­tiert jetzt, wie die nächste Gene­ra­tion des digi­talen Tacho­grafen aussehen könnte. BGL-Experte Gentze befürchtet aller­dings, dass dabei erneut die Bedürf­nisse der klei­neren Firmen nach einer einfa­chen und zuver­läs­sigen Technik igno­riert werden. „Das war auch schon bei Einfüh­rung der digi­talen Technik so“, kriti­siert er. „Die EU hat einen Feld­ver­such gestartet, der noch bis heute läuft – auf dem Rücken der kleinen und mitt­leren Unter­nehmen.“

KOMPLEXES SYSTEM IM FÜHRER­STAND

Aus diesen fünf Bausteinen besteht der digi­tale Tacho­graf


Kontroll­gerät: Damit lassen sich die Lenk- und Ruhe­zeiten für 365 Tage aufzeichnen, spei­chern und auslesen sowie die Geschwin­dig­keits­daten der vergan­genen 24 Stunden nach­voll­ziehen.
Fahrer­karte: Sie spei­chert Fahrer­ak­ti­vi­täten, Ereig­nisse und Störungen. Die perso­nen­be­zo­gene Karte kann der Fahrer nur einmal bean­tragen. Sie gilt fünf Jahre und kostet rund 40 Euro.
Unter­neh­mens­karte: Sie ermög­licht es, Daten auszu­lesen. Alle 28 Tage muss der Firmen­chef die Daten der Fahrer­karte und des Massen­spei­chers archi­vieren. Sie lassen sich zum Flot­ten­ma­nage­ment nutzen. Die Karte gilt fünf Jahre, sie kostet rund 40 Euro.
Werk­statt­karte: Quali­fi­zierte Werk­statt­fach­kräfte erhalten sie für Einbau und Wartung digi­taler Kontroll­ge­räte. Sie kostet je nach Land zwischen 31 und 52 Euro und gilt für ein Jahr.
Kontroll­karte: Damit können Poli­zisten sowie Mitar­beiter von Gewer­be­auf­sicht oder Bundesamt für Güter­ver­kehr (BAG) die gespei­cherten Daten auslesen und über­prüfen.
Infor­ma­tionen: Mehr zum Thema finden Sie unter www.bag.bund.de und www.kba.de.

Quelle: TRIALOG, Das Unter­neh­mer­ma­gazin Ihrer Berater und der DATEV, Heraus­geber: DATEV eG, Nürn­berg, Ausgabe 03/2013